Was wissen Sie über die Entstehung unserer Berge?

Erfahren Sie hier die moderne Sicht der Entstehung der Alpen – einer riesigen Knautschzone, gebildet beim Zusammenstoss von Europa und Afrika.

Die Berge prägen das Landschaftsbild der Schweiz. Trotzdem wissen wir nur wenig über ihre Entstehung. Berge und Täler sind in fast unvorstellbar grossen Zeiträumen entstanden. Wir entdecken in ihnen Spuren von fremden, längst vergangenen Wüsten und Meeren. Fossilien erzählen uns von der einstigen Biodiversität. Erfahren Sie mehr zur Alpenbildung und zum Welterbe Sardona.

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Warum ein Welterbe?

Einzigartige Naturgüter auszeichnen, die für die ganze Menschheit erhaltenswert sind. Sie sollen unversehrt an unsere Kinder und Grosskinder übergehen, dies ist der Kern der Welterbe-Idee.

Die UNESCO, die Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen, hat im Juli 2008 das Welterbe Sardona auf die Welterbeliste gesetzt mit der Begründung:

«Die weltweit einzigartige Sichtbarkeit der Gebirgsbildung, die beispielhafte Erforschungsgeschichte sowie die andauernde Bedeutung für die geologische Forschung verdienen die Aufnahme als Weltnaturerbe.»
Eine grossartige Auszeichnung – aber auch eine Verpflichtung für die drei beteiligten Kantone und die Welterbe-Gemeinden, hierzu langfristig Sorge zu tragen.

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Alpenbildung – Berge verstehen

Bei der Kollision der afrikanischen mit der europäischen Kontinentalplatte sind tief im Erdinneren sowie an der Erdoberfläche Vorgänge abgelaufen, die zur Entstehung der Alpen führten.

Vor 100 Millionen Jahren begann sich die afrikanische Kontinentalplatte mit rund 2 Zentimetern pro Jahr Richtung europäische Platte zu nähern. Langsam entstand eine riesige Knautschzone im Untergrund, und die Alpenbildung begann. Die europäische Platte wich nach unten aus und wurde dabei langsam im Erdmantel versenkt. Teile der Platten wurden abgeschabt und als riesige Gesteinspakete übereinandergestapelt. Gleichzeitig wirkte auch die Erosion, Täler und Berge entstanden. Noch heute dauert der Wettlauf zwischen Knautschen, Stapeln und Abtragung in den Alpen an – die Alpenbildung ist also nicht abgeschlossen!

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Die Alpenfaltung gibt es nicht!

Der Begriff Alpenfaltung gehört in die Mottenkiste. Die Alpen wurden nämlich hauptsächlich durch die Überschiebung von Gesteinspaketen gebildet.

Die Überschiebung von Gesteinspaketen geschieht entlang der Grenzen von riesigen Flächen. Diese sind – mit Ausnahme im Welterbe Sardona! – nicht an der Erdoberfläche erkennbar. Die an vielen Orten im Welterbe Sardona gut sichtbaren, teils spektakulären Gesteinsfalten wurden erstaunlicherweise infolge der grossen Überschiebungen gebildet!

Überschiebung und Verfaltung gehen immer Hand in Hand. Beide Prozesse sind tief im Erdinnern aktiv. Durch langsame Hebung und Erosion gelangen sie an die Erdoberfläche.

Piz Sardona und die Glarner Hauptüberschiebung

An den Gipfeln rund um den 3056 Meter hohen Piz Sardona ist die «magische Linie» der Glarner Hauptüberschiebung rundherum gut sichtbar.

Diese Linie ist Ausdruck einer riesigen Überschiebungsfläche, welche einst tief im Erdinnern entstand. Unter und über dieser Fläche kommen vollkommen unterschiedliche Gesteine vor, mit bis zu 200 Millionen Jahren Altersdifferenz! Damit nicht genug: das ältere Gestein liegt oben – hier stehen die Berge salopp gesagt auf dem Kopf!

An manchen Orten hat man das Gefühl, mitten in einer Arena zu stehen. Deshalb ist die Tektonikarena Sardona rund um den Piz Sardona so einzigartig. Zudem ist hier an den Gesteinsschichten besonders deutlich zu erkennen, wie das Gebirge gebildet worden ist.

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Ringelspitz
Piz Sardona
Piz Dolf
Piz Segnes
Gitternetz
Bergspitzen_Pfade
Tektonikarena Sardona Glarner Hauptüberschiebung

Vielfältige Gesteine – die Bausteine des Gebirges

Der Reichtum und die Vielfalt an farbenprächtigen Gesteinen an der Erdoberfläche sind in der Tektonikarena Sardona riesig.

Die ältesten Gesteine der Region findet man um Vättis SG. Die dortigen Gneise sind über 300 Millionen Jahre alt. Die Spitzen der Tschingelhörner bestehen aus 250–300  Millionen Jahre alten Verrucano-Gesteinen, welche vor langer Zeit in einem Wüstenklima am Äquator abgelagert worden sind.

Die Churfirsten und der Calanda bestehen aus Kalksteinen, welche von Ablagerungen aus einem Meer stammen. Die riesigen Felswände bestehen fast ausschliesslich aus ehemaligen Kleinstlebewesen, welche sich über Jahrmillionen am Boden des Meeres angesammelt haben.

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Flimser Bergsturz – wie ein Gebirge zerfällt

Bergstürze bewegen Millionen Kubikmeter Gestein innert Minuten und tragen so zur Alpenbildung bei.

Der Flimser Bergsturz ist der grösste Bergsturz der Alpen. Vor schätzungsweise 9450 Jahren donnerten rund 10 Kubikkilometer Gestein zu Tal. Was genau den Bergsturz ausgelöst hat, wissen wir nicht, die Auswirkungen müssen aber bis weit ins Unterland zu spüren gewesen sein. Neben dem Flimser Bergsturz gibt es in der Region viele weitere Formen der Erosion, beispielsweise die Abtragung von Gesteinsmaterial durch Gletscher.

Geotope – verschiedene Landschaften und Lebensräume

Die Welterberegion Sardona bietet in einer ursprünglichen Landschaft eine ungewöhnlich grosse Dichte an schützenswerten Zeugen der Erdgeschichte, sogenannten Geotopen.

Die verschiedenartigen Gesteinsunterlagen ermöglichten die Entwicklung der vielfältigen alpinen Pflanzen- und Tierwelt sowie der Hochmoore und Schwemmebenen. So unterschiedliche Tiere wie Steinböcke und Bartgeier finden in den Alpen ein Zuhause. Einige Gebiete sind in Inventare von nationaler Bedeutung aufgenommen worden.

Geohistorik – wenn Forscher streiten

In der Welterberegion Sardona streiten seit über 200 Jahren Forscher über die Entstehung von Gebirgen.

Die Entstehung der Berge und Gebirge ist ein Thema, das noch viel mehr als andere Gebiete in der Wissenschaft von vielfältigen Meinungen und kontroversen Interpretationen geprägt ist. Die Geowissenschaftlerinnen und Geowissenschaftler konnten wichtige Puzzlesteine zur Alpenbildung im Welterbe Sardona finden. Dies führte zu wesentlichen Erkenntnissen über die Entstehung von Gebirgen auf der Erde.

Die Bedeutung des Gebietes für die geologische Forschung hält an. Noch heute forschen Wissenschaflterinnen und Wissenschaftler in der Region, um die Gebirgsbildung noch besser zu verstehen.

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Heutige Forschungsfragen

Dass die gut sichtbare «magische Linie» eine riesige Überschiebungsfläche von Gesteinspaketen ist, darf man heute als wissenschaftlich bestätigte These betrachten. Eine Zeitlang schien damit alles klar.

Doch wie so oft in den Wissenschaften, stellen die jungen Generationen der Forschenden alles wieder infrage, sind neugierig, sehen mehr Fragezeichen als Klarheiten. So ist es auch im Welterbe Sardona immer wieder geschehen!

Die heutigen Fragestellungen kreisen um die Mechanismen dieser gewaltigen Prozesse der Gebirgsbildung. Wie ist so etwas mechanisch überhaupt möglich? Welche Verformungsarten spielten sich ab? Welche Rolle spielten Tiefengrundgewässer? Wann und wie rasch erfolgten die Bewegungen?

Der geologischen Forschung geht der Stoff nicht aus!

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